Nelson Mandela (Antrittsrede 1994)
Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind. Unsere tiefste Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, das uns erschreckt. Wir fragen uns, wer bin ich, mich brillant, großartig, talentiert, phantastisch zu nennen? Aber wer bist Du, Dich nicht so zu nennen? Du bist ein Kind Gottes. Dich selbst klein zu halten, dient nicht der Welt. Es ist nichts Erleuchtendes daran, sich so klein zu machen, dass andere um Dich herum sich nicht sicher fühlen. Wir sind alle bestimmt, zu leuchten, wie es die Kinder tun. Wir sind geboren worden, um den Glanz Gottes, der in uns ist, zu manifestieren. Und wenn wir unser eigenes Licht erscheinen lassen, geben wir unbewusst anderen Menschen die Erlaubnis dasselbe zu tun. Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind, befreit unsere Gegenwart automatisch andere.


C L O W N S  - "Die clowneske Lebenskunst des Scheiterns"  

Clowns sind wie Kinder. Man muss sich sehr um sie kümmern. Man muss aufpassen, dass nichts passiert. Man muss schauen, dass es ihnen gut geht. Man muss sie umsorgen und pflegen – gelegentlich ein bisschen verwöhnen. Man muss sie lieben. Ihnen selbst ist das natürlich nicht klar. Clowns halten sich selbst für selbstständig und stark. Für großartig. Oft sogar für allmächtig. Sie sehen keinerlei Grund, dankbar zu sein. Aber sonst kriegt man jede Menge von ihnen zurück. Authentizität und Frische und Originalität und Wärme und Spontaneität und Spaß. Und Poesie. Und Einblicke in sich selber. Man darf halt einfach nicht das Falsche von ihnen erwarten. Zum Beispiel sind sie großartige Plänemacher, aber nicht unbedingt ebenso großartige Pläne-Verwirklicher. Mit jeder Art von Verzicht tun sie sich schwer. Oder mit Einteilung. Oder mit Verantwortung. Oder mit Verlässlichkeit. Man sollte sie also nicht als Buchhalter einsetzen. Auch sind sie äußerst ungeschickte Diplomaten. Absolut unfähige Lügner. (Daher übrigens auch ganz miserable Schauspieler, aber das bleibt unter uns.) Richtig gut sind sie dagegen als Ringelspielfahrer. Oder als Philosophen. Oder als hochdekorierte Generäle. Als Meteorologen sind sie durchaus konkurrenzfähig. Als Puppenmütter unschlagbar. Tolle Räuber oder Gendarmen. Und letztlich unterscheiden sie sich dann doch auch wieder von Kindern: zum Beispiel werden sie – selbst wenn sie sich sehr anstrengen – immer hoffnungslos schlechte Schüler bleiben. Völlig unsinnig, sie erziehen zu wollen. Clowns werden niemals erwachsen. Oft merken sie nicht einmal etwas davon, aber in Wirklichkeit haben sie Probleme mit den einfachsten Dingen und Situationen. Mit den etwas komplizierteren sowieso.  Wenn sie gut drauf sind, werden sie leicht übermütig, und dann passiert über kurz oder lang eine Katastrophe. Wenn sie schlecht drauf sind, geht es mit den Katastrophen Schlag auf Schlag.  Aber sie überleben. Und sie vergessen schnell. Die Rede ist von Menschen. Beziehungsweise von Clowns. Darum lernt man einiges über Menschen, wenn man sich mit Clowns beschäftigt. Und umgekehrt. Hubertus Zorell  www.zorellvondrak.at


DU SOLLST DIR KEIN BILDNIS MACHEN (Max Frisch) 

Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. EBEN DARIN BESTEHT JA DIE LIEBE, DAS WUNDERBARE AN DER LIEBE, DASS SIE UNS IN DER SCHWEBE DES LEBENDIGEN HÄLT, IN DER BEREITSCHAFT, EINEM MENSCHEN ZU FOLGEN IN ALLEN SEINEN MÖGLICHEN ENTFALTUNGEN. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solange wir sie lieben. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfassbar ist der Mensch, den man liebt - Nur die Liebe erträgt ihn so. Warum reisen wir? Auch dies, damit wir Menschen begegnen, die nicht meinen, dass sie uns kennen ein für alle Mal; damit wir noch einmal erfahren, was uns in diesem Leben möglich sei -Es ist ohnehin schon wenig genug. Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedes Mal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind - nicht, weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, darum ist der Mensch fertig für uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir künden ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alles Lebendigen, das unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei. ,,Du bist nicht", sagt der Enttäuschte oder die Enttäuschte: ,,wofür ich dich gehalten habe." Und wofür hat man sich denn gehalten? Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose, der Verrat. [...]    Irgendeine fixe Meinung unsrer Freunde, unsrer Eltern, unsrer Erzieher, auch sie lastet auf manchem wie ein altes Orakel. Ein halbes Leben steht unter der heimlichen Frage: Erfüllt es sich oder erfüllt es sich nicht. Mindestens die Frage ist uns auf die Stirne gebrannt, und man wird ein Orakel nicht los, bis man es zur Erfüllung bringt. Dabei muss es sich durchaus nicht im geraden Sinn erfüllen; auch im Widerspruch zeigt sich der Einfluss, darin, dass man so nicht sein will, wie der andere uns einschätzt. Man wird das Gegenteil, aber man wird es durch den andern. [...] In gewissem Grad sind wir wirklich das Wesen, das die andern in uns hineinsehen, Freunde wie Feinde. Und umgekehrt! Auch wir sind die Verfasser der andern; wir sind auf eine heimliche und unentrinnbare Weise verantwortlich für das Gesicht, das sie uns zeigen, verantwortlich nicht für ihre Anlage, aber für die Ausschöpfung dieser Anlage. Wir sind es, die dem Freunde, dessen Erstarrtsein uns bemüht, im Wege stehen, und zwar dadurch, dass unsere Meinung, er sei erstarrt, ein weiteres Glied in jener Kette ist, die ihn fesselt und langsam erwürgt. Wir wünschen ihm, dass er sich wandle, oja, wir wünschen es ganzen Völkern! Aber darum sind wir noch lange nicht bereit, unsere Vorstellung von ihnen aufzugeben. Wir selber sind die Letzten, die sie verwandeln. Wir halten uns für den Spiegel und ahnen nur selten, wie sehr der andere seinerseits eben der Spiegel unsres erstarrten Menschenbildes ist, unser Erzeugnis, unser Opfer. (Max Frisch, Tagebuch 1946-1949) "Du hast Dir nun einmal ein Bildnis von mir gemacht, das merke ich schon, ein fertiges und endgültiges Bildnis, und damit Schluss ... Wenn man einen Menschen liebt, so lässt man ihm doch jede Möglichkeit offen und ist trotz aller Erinnerung einfach bereit, zu staunen ... wie anders er ist, wie verschiedenartig und nicht einfach so, nicht ein fertiges Bildnis, wie Du es Dir da machst." (Max Frisch, Stiller - Julika an Stiller) Es dürfte auch in diesem Sinne gelten: Gott als das Lebendige in jedem Menschen, das, was nicht erfassbar ist. Es ist eine Versündigung, die wir, so wie sie an uns begangen wird, fast ohne Unterlass wieder begehen - ausgenommen, wenn wir lieben. (X.)


INTERSEIN (englisch interbeing)
ist der von Thich Nhat Hanh geprägte Begriff für die Tatsache, dass alles Existierende miteinander verwoben ist, sich gegenseitig durchdringt und wechselseitig bedingt.
"Seht die Wolke, die in diesem Stück Papier schwebt. Wenn ihr genau hinschaut, werdet ihr sie sehen können. Ohne die Wolke wird kein Regen sein, ohne Regen können die Bäume nicht wachsen, und ohne Bäume können wir kein Papier herstellen. Für die Existenz des Papiers ist die Wolke wesentlich. Wenn die Wolke nicht ist, kann auch das Stück Papier nicht sein. Wir können also von dem „Intersein“ von Papier und Wolke sprechen. Betrachten wir dieses Papier näher, so können wir auch den Sonnenschein darin sehen. Ist der Sonnenschein nicht da, kann der Wald nicht wachsen. Und so wissen wir, dass auch der Sonnenschein in diesem Papier ist, dass auch sie „intersind“. Und wenn wir weiter hinschauen, so sehen wir den Holzfäller, der den Baum fällt und ihn zur Mühle bringt, damit aus dem Baum Papier werden kann. Und wir sehen den Weizen. Wir wissen, dass der Holzfäller, ohne sein tägliches Brot nicht leben kann und daher ist der Weizen, der zu seinem Brot wurde, auch in diesem Stück Papier; Ebenso, wie die Mutter und der Vater des Holzfällers es sind. Betrachten wir es in dieser Weise, so sehen wir, dass das Stück Papier ohne all die Dinge nicht existieren kann. Schauen wir noch genauer hin, so sehen wir auch uns darin. Das ist nicht schwer zu verstehen. Denn, wenn wir ein Stück Papier betrachten, so ist es Teil unserer Wahrnehmung. Euer Geist ist ebenso darin, wie der meine. Daher können wir sagen, dass alles in diesem Stück Papier enthalten ist. Ihr könnt nichts herausgreifen, was nicht darin ist: Zeit, Raum, Erde, der Regen, die Mineralien der Erde, der Sonnenschein, die Wolke, der Fluss, die Hitze. Alles existiert gleichzeitig in diesem Stück Papier. Das Stück Papier ist, weil alles andere ist. Tatsächlich besteht dieses Papier nur aus „Nicht-Papier-Elementen“. So dünn, wie dieses Papier auch ist, es enthält doch das ganze Universum in sich." (Thich Nhath Hanh)

IST BUDDHISMUS EINE RELIGION?

(Antwort des ehrwürdigen Mönchs Bhante Seelawansa Wijayarajapura Maha Thero)

"Man kann den Buddhismus sehr unterschiedlich betrachten, als Religion, Philosophie, Therapie oder Geistesschulung. Für Menschen, die Wünsche und Erwartungen in den Buddhismus legen und die Lehre Buddhas annehmen, ohne sie kritisch zu hinterfragen, ist Buddhismus eine Religion. Wenn jemand die buddhistische Lehre liest und die Theorie lernt, jedoch nicht praktiziert, ist der Buddhismus eine Philosophie. Wenn jemand die buddhistische Methode anerkennt und versucht, seine gegenwärtigen Probleme durch die Lehre zu überwinden, ist der Buddhismus eine Therapie. Wenn jemand die Lehre des Buddha liest, diese versteht und die körperlichen und geistigen Schwierigkeiten ganz tief mithilfe der Lehre zu untersuchen versucht, um die Wurzel der Probleme zu erkennen, dann ist die Lehre des Buddha eine Methode der Geistesschulung. Was der Buddhismus ist, definiert der Einzelne für sich selbst."